Stellungnahme: Arbeiten im Home Office und gleichzeitige Kinderbetreuung sind ein Widerspruch.

Das Gender-Institut, die Grazer Ombudsstelle für Mädchen und Frauen, KiB children care und das Kinderbüro die Lobby für Menschen bis 14 beziehen gemeinsam Stellung.

Eltern mit Kindern und entsprechenden Versorgungspflichten sind mehr als gefordert, ihr Leben als Elternteile, Berufstätige und Ersatzlehrer*innen zu managen! Dies gilt für wesentlich mehr Frauen als Männer, die diese Aufgaben erfüllen müssen. Sind besagte Elternteile mit Versorgungspflichten auch noch alleinerziehend, ohne soziales Netz, weil auch Großeltern, Freund*innen und sonstige Bekannte nicht greifbar sind, wird die Situation prekär.

Bei allem Verständnis für Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus – es kann nicht sein, dass Schulschließungen angeordnet werden und einfach davon ausgegangen wird, dass die Mütter bzw. Väter das schon irgendwie schaffen werden.

Selbstverständlich gibt es viele, für die es gut machbar ist, die Kinder während der Arbeit im Home Office mitzubetreuen und zu unterrichten. Für viele ist es das aber nicht.

Diejenigen, die zur Arbeit außerdem außer Haus müssen, wissen ein besonders trauriges Lied vom Drama des Versuchs der sogenannten „Vereinbarkeit“ zu singen. Darüber hilft der Rechtsanspruch auf Sonderurlaub leider auch nicht hinweg. Wie schon bei Inanspruchnahme der Pflegefreistellung fürchten vor allem Frauen zu Recht um ihren Arbeitsplatz.

Dazu kommt, dass vielen Familien schlichtweg die technische Ausstattung zur reibungslosen Durchführung von Distance-Learning fehlt. Da liegen dann nicht nur die Nerven der Eltern blank, sondern zeichnen sich die Verlierer *innen eines Systems ab, das sich vor allem auf die allzeitige Bereitschaft von Frauen verlässt und sich im Sparen an Geldern für Bildung und Bildungseinrichtungen übt.

Was, wenn Kinder krank sind?


Auch KiB children care als Interessensvertretung von Familien mit kranken Kindern sieht Home Office und gleichzeitige Betreuung von Kindern als unvereinbar an, im Besonderen wenn diese krank sind. Zuhause Arbeiten und sich gleichzeitig um die Bedürfnisse kranker Kinder zu kümmern, geht sich schlichtweg nicht aus.

Wie soll beispielsweise eine berufstätige Mutter mit drei Kindern, die zuhause statt in der Schule beaufsichtigt werden müssen, ihren Beruf im Home Office ausüben, zwei Kinder beim Lernen unterstützen, das kranke Kind pflegen, zum Kinderarzt fahren usw.?

Was bedeuten Schulschließungen in diesem Zusammenhang für die Kinder?

Wir als Kinderbüro geben zu bedenken, dass aus der Mehrfachbelastung für die Eltern Stress und Erschöpfung entstehen können. Gestresste Elternteile können den Bedürfnissen der Kinder weniger Aufmerksamkeit schenken, sind oft reizbarer, werden gegenüber ihren Kinder schneller laut oder schimpfen, die Gewaltbereitschaft steigt.

Erschöpfte Eltern haben weniger Ressourcen für Konflikte der Kinder. Probleme werden oft nicht wahrgenommen, nicht diskutiert und/oder es wird nicht nach Lösungen gesucht. Ungelöste Konflikte wirken sich negativ auf die Psyche der Kinder aus.

Viele Kinder können beim Home Schooling von den Eltern nicht unterstützt werden und den Schulstoff nicht allein bewältigen. Kinder, die so in der Schule den Anschluss verlieren, leiden häufig unter Sorgen und Ängsten oder sozialer Ausgrenzung.

Die gemeinsame Zeit in der Schule mit Gleichaltrigen, die Gemeinschaft, Austausch und Spaß sind wichtige Komponenten für die gesunde Entwicklung von Kindern. Soziale Isolation schadet der Psyche von Heranwachsenden.

Jetzt zeigt sich auch, wie unklug Schulklassen mit einer großen Anzahl an Schülerinnen und Schülern sind, wie wichtig ausreichend, im Sinne von VIEL, pädagogisches Lehrpersonal ist, welch große Bedeutung zeitgemäßes technisches Equipment an Schulen hat, wie unverzichtbar moderne Unterrichtsmethoden mittels neuer Medien sind.

Nicht im Sinne der Kinderrechte

Die UN-Kinderrechtskonvention beschreibt in Artikel 3, Abs 1., dass „bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen (…) das Wohl des Kindes stets vorrangig zu berücksichtigen ist“ und in Art. 24 „das Recht auf das Höchstmaß an Gesundheit“ sowie in Art. 28 das Recht auf Bildung.

Schulschließungen entsprechen aus oben genannten Gründen nicht den Kinderrechten. Unserer Gesellschaft droht ein Lockdown ganz anderer Art – nämlich der der jungen Menschen als Bildungsverlierende mit ausgeprägter Perspektivlosigkeit.

Erstellt am 12.11.2020

Mag.a Gabriele Metz, MA
Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen
Gender-Institut Graz
KiB children care

MMag. Thomas Plautz
Kinderbüro – Die Lobby für Menschen bis 14