YOUTHPARTICIPATION WITHOUT BORDERS

…ein Projekt gefördert von Erasmus+

Als die zwölfköpfige Jugendgruppe aus Österreich und ihre beiden Begleitpersonen vom Kinderbüro am 8. Juli mit dem Bus aus Innsbruck nach Berlin aufbrachen, war noch nicht klar, dass alle, nur ein paar Tage später, um viele Erfahrungen, Diskussionen, Erlebnisse, Aha-Momente, kulinarische Neuheiten und Freundinnen und Freunde reicher sein werden! Bei der Erasmus+ Jugendbegegnung stand das Thema Jugendbeteiligung im Mittelpunkt: Welche Projekte werden in den Teilnahmeländern Österreich und Deutschland von den Jugendlichen durchgeführt? Was sind für die jungen Erwachsenen die wichtigsten Themen? Welche Erfahrungen gibt es mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern? Wird man als junger Mensch ernst genommen? Was wollen wir alle gemeinsam in Zukunft bewegen, um in einem Europa der Generationen zu leben?

Die Jugendbegegnung startete mit einem Workshop-Wochenende in Rathenow / Steckelsdorf im Land Brandenburg. Während sich die Jugendlichen kennenlernten, teilten sie ihre Erfahrungen mit Kommunalpolitik. Dabei wurde eines schnell klar: Jugendliche in der Politik brauchen einen langen Atem, viel Geduld, Zeit und Ausdauer! Das Rathenower Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa), von dem einige Mitglieder am Erasmus+ Projekt teilnahmen, setzen sich bereits seit 15 Jahren für die Interessen von Kindern und Jugendlichen ein. Damit sind sie nicht nur eines der ältesten, sondern auch eines den bekanntesten und erfolgreichsten Jugendparlamenten in Deutschland. Inzwischen haben sie Rede- und Antragsrecht in städtischen Ausschüssen und dürfen ihr eigenes Jugend-Budget verwalten. Davon ist der Innsbrucker Jugendrat noch weit entfernt. Doch klar ist auch für sie, dass sie sich politisch einbringen und um ihr Mitspracherecht kämpfen werden.

 

An der Jugendbegegnung nahmen junge Menschen aus Österreich, Deutschland, Russland, Afghanistan, Syrien, dem Iran und von den Philippinen teil. Sie alle beteiligen sich entweder in bereits vorhandenen Strukturen wie dem KiJuPa in Rathenow oder dem Innsbrucker Jugendrat, nehmen an Beteiligungsprojekten teil oder wollen sich zukünftig stärker einbringen. Ein Großteil der teilnehmenden Jugendlichen war an der Planung der Jugendbegegnung aktiv beteiligt. Sie schrieben u.a. den Erasmus+ Antrag mit, gestalteten das Programm, führten einige Workshops selbständig durch und fertigten ein tägliches Video-Tagebuch über ihre Erlebnisse an.

Gemeinsame Themen gab es viele, unter anderem wurde über Rechtspopulismus, politische Bildung in der Schule, nationale sowie internationale Vernetzung und Homophobie diskutiert. In Deutschland ist man beispielsweise gerade dabei, einen Dachverband für überparteiliche politische Jugendorganisationen zu gründen. Auch diese Initiative geht von niemand anderem als den Jugendlichen selbst aus, federführend ist das KiJuPa Rathenow. Diese Idee, wie viele weitere, stieß bei den Jugendlichen aus Österreich auf reges Interesse. Nun will man vorerst recherchieren, welche Strukturen es in Österreich überhaupt gibt.

All diese Themen wurden am vierten Tag mit dem Bundestagsabgeordneten Harald Petzold besprochen, der die Jugendlichen zu sich in den Deutschen Bundestag eingeladen hatte. Die Diskussion kam schnell in Gang und wird aufgrund der persönlichen Erfahrungen der Jugendlichen sofort lebendig. Natürlich Thema bei den Jugendlichen: die aktuelle Flucht tausender Menschen in die Länder der europäischen Union, die Reaktionen darauf sowie der BREXIT. Harald Petzold skizziert anschaulich sein Bild eines sozialen und solidarischen Europas, das mit allen auf gleicher Augenhöhe zusammenarbeitet und kooperiert, dessen Türen einladend und für alle offen stehen, das sich nicht abschottet oder umzäunt, das von den Menschen als lebenswert erlebt wird und nicht als bürokratische Überbehörde, das sie deshalb auch lieben und verteidigen, das nicht von einem Land dominiert wird und das aktiv gegen Fluchtgründe vorgeht, wie Kriege, Terror und wirtschaftliche Not.

Einen weiteren Programmpunkt bildete die Teilnahme an dem sozialen Projekt „X-berg-Tag-Eine Reise in das multikulturelle Berlin“ mit Herrn Munieb Al-Said. Er führt die Jugendgruppe durch das FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum, das die Berliner Migrationsgeschichte beleuchtet. Anschließend zeigt Al-Said u.a. die türkischen Männer-Cafés und eine Hinterhof-Moschee. Hier entsteht eine spannende Diskussion über den Isam, auch Al-Said ist praktizierender Moslem und betet die erste Sure aus dem Koran. „Bei uns geht das aber anders“, weiß der 15jährige Abas aus Afghanistan. Junge Schiiten und Sunniten sitzen gemeinsam in einer Hinterhof-Moschee in Kreuzberg und reden über ihren Glauben. Könnte es nicht immer so sein?

Am 14. Juli geht die Reise gemeinsam weiter von Berlin nach Innsbruck: 24 Jugendliche und 4 Begleitpersonen, die inzwischen zu einer lustigen Reisegruppe zusammengewachsen sind. So wie viele der Jugendlichen aus Österreich noch nie zuvor in Berlin waren, ist es für einen Großteil der Jugendlichen aus Deutschland das erste Mal, dass sie Österreich und die Alpen sehen. Deshalb startet der erste Tag in Innsbruck auch dort, wo Innsbruckerinnen und Innsbrucker dem Berg am nächsten sind, nämlich auf der Nordkette! Nach ausführlichem Foto- und Selfie-Marathon, startet der Workshop über „Youthparticipation all over the world“ auf der Seegrube. Der Workshop wird gehalten von der 16jährigen Eva und dem 19jährigen Josh aus Innsbruck. „Unglaublich wie professionell die Beiden sind“, staunt der Betreuer aus Deutschland. Tags darauf leiten Toby und Jan vom Innsbrucker Jugendrat eine ganz besondere Stadtführung. Die 16jährigen Schüler haben sich City Bound-Aufgaben ausgedacht, teilen die Jugendlichen in kleine Gruppen auf und schicken sie durch die Stadt, um z.B. herauszufinden, welche Geschichte der Landhausplatz hat. Aber auch lustige Aufgaben wie das Finden das hässlichsten Souvenirs sind dabei. Die Jugendlichen lernen Innsbruck dabei von einer ganz anderen Seite kennen.

Etwas verrückt geht es am nächsten Tag weiter: Die Jugendlichen führen als Erasmus+ Flashmob einen spontanen arabischen Hochzeitstanz auf der Maria-Theresien-Straße auf. Gelernt haben sie diesen von Munieb Al-Said in Kreuzberg und den syrischen Teilnehmern. Anschließend schauen sich die Jugendlichen das Jugendzentrum Tivoli an und gaben ein Feedback zum Gesamtprojekt YOUTHPARTICIPATION WITHOUT BORDERS. Besonders gefallen hat den Teilnehmenden die jeweilige Landschaft sowohl in Rathenow als auch in Innsbruck, das freundliche und aktive Miteinander, die tollen Diskussionen und das multikulturelle Flair. Einzige Wermutstropfen waren die doch sehr anstrengenden zusammenhängenden 13 Projekttage ohne Pause und die unhygienische sowie nicht saubere Jugendherberge in der Reichenau in Innsbruck. Als weiterer Projektabschluss wurde gemeinsam ein Handout über Do’s und Dont’s der Jugendbeteiligung erarbeitetet und damit die Ergebnisse aller Workshops so kurz wie möglich zusammengefasst.

An den letzten beiden Tagen fand ein Wandertag zum Piburger See in Ötztal und ein Politiker_innen-Talk im Rathaus mit anschließender Youthpass-Übergabe statt. Letzterer wurde moderiert vom 16jährigen Raoul, der im Vorstand vom Innsbrucker Jugendrat aktiv ist. Die Vertreterinnen und Vertreter von den Parteien Die Grünen, Für Innsbruck, FPÖ, SPÖ und ÖVP hörten sich genau an, was die Jugendlichen zu sagen hatten und erkannten Gemeinsamkeiten mit den politischen Aktivitäten aus ihrer Jugendzeit. „Die aktive Mitgestaltung des Stadtlebens durch Kinder und Jugendliche hat in Innsbruck einen hohen Stellenwert. Besonders aktiv arbeitet in diesem Zusammenhang der Innsbrucker Jugendrat. Es freut mich, dass nun ein Projekt umgesetzt wird, das Jugendliche aus ganz Europa zusammenbringt. Besonders in Zeiten wie diesen ist genau das von großer Bedeutung.“, erklärte der für Kinder und Jugendliche zuständige Vizebürgermeister Christoph Kaufmann.

Einen entspannten Abschluss fand die Jugendbegegnung am Innsbrucker Baggersee, bei dem die letzten Handnummern und Facebook-Kontakte ausgetauscht wurden. Für alle stand fest, dass man sich wiedersehen und in Kontakt bleiben will.

YOUTHPARTICIPATION WITHOUT BORDERS hatte nicht nur großen Einfluss auf die teilnehmenden 24 Jugendlichen und ihre Begleitpersonen sowie die dahinterstehenden Organisationen, sondern auf viele weitere junge Menschen, die sich an einzelnen Projekttagen und -inhalten beteiligten und auf andere Personen, z.B. den Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern aus den Jugendzentren in Rathenow und Innsbruck, den gesprächsbereiten Politikerinnen und Politikern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Unterkünften und gastronomischen Einrichtungen und vielen mehr. „Was macht ihr hier eigentlich“, fragte fast jede und jeder und die Jugendlichen gaben gerne Auskunft: „Wir machen Politik für junge Menschen in Europa!“