Melanie Scherr im Interview über ihr preisgekröntes Projekt “Klassenrat”

von Viktoria Spitzbart

Sie liest, backt und kocht gerne, ist viel mit ihrem Hund unterwegs und liebt Gesellschaftsspiele. Die Rede ist von der diesjährigen Preisträgerin vom ersten Platz aus der Kategorie „Schulen & Kindergärten“ bei “TrauDi! – Der Steirische Kinderrechtepreis”. Eigentlich steht sie nicht gerne im Rampenlicht, doch für uns hat Melanie Scherr erzählt, wie sie zu ihrem tollen Projekt Klassenrat gekommen ist und was dahinter steckt.

Klassenlehrerin Melanie Scherr (rechts) mit Schüler:innen der VS Groß St. Florian und Direktorin Gabriele Schachinger (links) bei der Gala der Kinderrechte 2022.

Die Gala der Kinderrechte 2022 ist nun schon ein paar Wochen her. Da nicht all unsere Leser:innen bei der Preisverleihung dabei waren, möchten wir gerne mit einer kleinen Vorstellrunde beginnen, bevor wir über dein Projekt sprechen. – Wer bist du und was machst du gerne in deiner Freizeit?

M.S.: Mein Name ist Melanie Scherr und ich bin Volksschullehrerin an der Volksschule Groß St. Florian. In meiner Freizeit lese, backe und koche ich total gerne oder bilde mich im Bereich Persönlichkeitsentwicklung weiter. Des Weiteren besitze ich einen Hund, mit dem ich viel unterwegs bin. Gesellschaftsspiele finde ich auch ganz toll, die ich gerne mit Freunden spiele.

Du hast ja mit deinem Projekt “Klassenrat” den ersten Preis in der Kategorie “Schulen & Kindergärten” bei der diesjährigen Gala der Kinderrechte gewonnen. – Was kann man sich darunter vorstellen?

M.S.: Beim Klassenrat handelt es sich um einen wöchentlichen Rückblick, der am Ende jeder Schulwoche stattfindet. Dabei erzählen die Kinder von Erlebnissen, die ihnen diese Woche besonders gefallen haben, oder schenken einem anderen Kind ein Lob. Auch Probleme werden angesprochen und es wird versucht, gemeinsam eine Lösung zu finden. Das Ganze findet im Sesselkreis statt und wird jedes Mal von einem anderen Kind moderiert. Ich als Lehrerin bin zwar anwesend, jedoch sitze ich außerhalb des Kreises, beobachte alles und greife ein, wenn es nötig ist.

Werden da auch schulische Themen besprochen?

Es kann schon vorkommen, dass ein Kind einem anderen dafür dankt, dass es ihm beim Arbeitsblatt geholfen hat, aber prinzipiell geht es da wirklich um die Gefühlsebene. Dadurch soll die Klassengemeinschaft gestärkt und untereinander kommuniziert werden. Die Kinder  sollen lernen, respektvoll und wertschätzend miteinander umzugehen, was meiner Meinung nach in der heutigen Gesellschaft schon ein bisschen verloren geht. Weiters sollen die Kinder keine Angst davor haben, Probleme anzusprechen und dass es okay ist auch mal “Nein” zu sagen.

Was war die Idee dahinter bzw. die Motivation, ein Projekt von und mit Kindern zu entwickeln?

Die Motivation ist dadurch entstanden, dass in der ersten Klasse, die ich hatte, viele Kinder verhaltenskreativ waren und die Klassengemeinschaft darunter sehr stark gelitten hat. Dadurch sind einige Probleme entstanden. Während einer Ausbildung hörte ich einmal von der Methode, dass man die Kontrolle an die Kinder abgeben soll und darauf vertraut, dass die Kinder selbstständig die Probleme lösen. Das habe ich dann ausprobiert. Trotz der vielen verhaltenskreativen Kinder hat diese Methode bestens funktioniert und die Kinder sprachen wieder auf Augenhöhe miteinander.

Welche Tipps hast du für Schulen/Klassen, die einen Klassenrat auch einführen wollen?

Damit der Klassenrat funktioniert, muss man diesen wirklich individuell auf die Klasse zuschneiden. Bei mir zum Beispiel verändert sich der Klassenrat jährlich und auch von Klasse zu Klasse. In den ersten Klassen wird mit vielen Symbolen gearbeitet. Diese reichen vom Stoffherz bis hin zum Regenbogen. Zusätzlich gebe ich ihnen ein paar Tipps. Die Zweitklässler bekommen dann schon Kärtchen, auf denen sie ihre positiven Wahrnehmungen aufschreiben sollen. Besonders hilfreich ist es, wenn man die Kinder unter der Woche einmal daran erinnert und ihnen vor dem Stundenbeginn zehn Minuten schenkt, um darüber nachzudenken, was bis jetzt in dieser Woche gut lief und zu wem man “Danke” sagen könnte. Die Zetteln werden dann bis zum Klassenrat in einer Box mit einem Schlitz, die sogenannte Schatzkiste, gesammelt.

Was sind die Vorteile des Klassenrats?

Die Vorteile sind, dass die Klassengemeinschaft extrem gestärkt wird und dass die Kinder wieder die positiven Dinge im Leben sehen, diese auch wahrnehmen und darauf stolz sind. Des Weiteren wird das gegenseitige Helfen und das Sehen anderer gefördert. Man lernt seine Meinung zu sagen, Grenzen zu setzen, aber eben auch Dankbarkeit.

Gibt es in Bezug auf dein Projekt auch Dinge, auf die man aufpassen muss?

Ja, man muss auf alle Fälle aufpassen, dass die Sprache wertschätzend bleibt, dass die Kinder nicht beleidigend werden oder dass die Situation nicht eskaliert. Wenn ein Streit ausbrechen sollte, muss man als Lehrkraft aktiv zuhören und schauen, dass nicht das komplette Chaos aus dem Streit ausartet.

Wie werden alle Kinder am besten in den Klassenrat einbezogen?

Das war anfangs gar nicht so leicht, da meistens die Gleichen gesprochen haben. Ich habe dann einfach versucht, die Kinder, die aktiver waren, mehr in den Prozess einzubinden und sie gebeten, die Kinder, die sich eher im Hintergrund halten, mal zu beobachten und wenn ihnen etwas Positives auffällt, das auf ein Kärtchen für sie zu schreiben. Diese Kinder haben sich dann riesig gefreut und dann auch langsam damit begonnen, anderen Kindern ein Kompliment zu machen und sich am Gespräch beteiligt. Seither machen alle Kinder tüchtig mit.

Was war deine erste Reaktion, als du erfahren hast, dass du gewonnen hast?

Ich wollte aus dem Saal laufen. Ehrlich gesagt stehe ich nicht so gerne im Mittelpunkt und als plötzlich mein Name ausgerufen wurde, habe ich kurzzeitig echt überlegt, ob ich davonlaufen soll. Doch zum Glück war auch meine Direktorin auch anwesend, die mich freundlich bat zu bleiben und auf die Bühne zu gehen. 

Wie sehen deine Zukunftspläne aus mit dem Projekt “Klassenrat”?

Richtig toll fand ich das Gespräch von der Kinderbürgermeisterin und vom Kinderbürgermeister bei der Gala, die meinten, dass es cool wäre, wenn aus dem Klassenrat ein Schulrat entstehen würde. Das wäre für die Zukunft auch mein größter Wunsch. Dafür müssten jedoch alle Klassen einen Klassenrat einführen und mit dem Konzept vertraut sein. Der Schulrat könnte dann alle paar Monate stattfinden, wo von jeder Klasse ein Kind stellvertretend und immer wechselnd dabei ist. Bei diesem Treffen haben die Kinder unter anderem die Möglichkeit, über Probleme in der Pause oder was die Schule ihrer Meinung nach verbessern kann, zu sprechen. Als Lehrkraft ist man selbst oft betriebsblind, da ist es sehr hilfreich, das Ganze aus der Sicht der Kinder zu hören.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Das Interview führte Viktoria Spitzbart. Viktoria studiert Journalismus und Public Relation an der FH JOANNEUM in Graz. Als Tante liegt ihr das Wohl der Kinder besonders am Herzen und sie ist an so innovativen Projekten, wie dem von Melanie, immer sehr interessiert. Sie könnte sich den Klassenrat in ihrem Heimatort in Oberösterreich auch sehr gut vorstellen.