Die Schulen sind offen und das ist gut so. Fragen Sie ihr Kind!

Erstellt am 07.12.2021

Im vierten Lockdown blieben die Schulen und Kindergärten tatsächlich geöffnet. Es gab keine Präsenzpflicht, aber Kinder durften zuhause bleiben, wenn sie es selbst bzw. die Eltern es so wollen. In der Schule wurde nicht nur beaufsichtigt, sondern normal unterrichtet. Kinder zuhause lernten selbstständig mit Aufgaben und Arbeitspaketen.

Nicht alle waren bzw. sind mit dem Präsenzunterricht einverstanden – viele Beteiligte und Betroffene, viele Perspektiven… Wir als Lobby für Menschen bis 14 vertreten unter Einbeziehung der Meinung von Kindern, Expert:innen der Medizin und Psychotherapie sowie basierend auf wissenschaftlichen Fakten folgende Standpunkte.

Zu wenig Schutz für Kinder vor einer Infektion?

Die Kinder (und das Schulpersonal) würden zu wenig geschützt, hieß es beispielsweise. Es gibt jedoch eine Reihe von Schutzmaßnahmen für die Kinder.

So gilt in den Schulen eine durchgehend Maskenpflicht. In den Volksschulen, AHS-Unterstufen, Mittelschulen und Sonderschulen müssen Kinder zumindest einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Alle anderen Schüler:innen sowie Lehrer:innen müssen eine FFP2-Maske aufsetzen. Es gibt regelmäßige Maskenpausen bzw. die Möglichkeit die Pausen ohne Maske im Freien zu verbringen.

Die Kinder werden flächendeckend getestet. Infektionen werden somit schnell entdeckt und weitere Ansteckungen verhindert.

Weitere Hygienemaßnahmen wie Lüften und regelmäßiges Händewaschen gehören bereits selbstverständlich zum Schulalltag.

Wir haben hochwirksame Impfstoffe. Das Lehrpersonal ist zu einem hohen Prozentsatz geimpft. Viele Kinder ab 12 Jahren sind ebenfalls bereits doppelt geimpft. Wären alle Erwachsenen geimpft, wäre dies der beste Schutz für die Kinder. Warum sollten Kinder auf ihren Unterricht verzichten, weil so viele Erwachsene ihren Beitrag zur Pandemiebekämpfung nicht leisten wollen?

Darüber hinaus plädieren wir dafür, in allen Schulen Luftreinigungsanalagen zu installieren

»Corona hat auch einen Vorteil, jetzt gibt es mehr Eingänge in der Schule und da wird nicht so gedrängt.«

Hohe Inzidenzen, aber…


In einem offenen Brief an die Regierung forderten Ende November Schülervertreter:innen, Eltern, Lehrer:innen und diverse Expert:innen eine zweiwöchige Schulschließung. Als Hauptgrund nannten sie die hohe Anzahl an Infektionen (Inzidenz) bei den 5- bis 14-Jährigen.

Die Ärzt:innen der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) sprechen sich hingegen klar gegen neuerliche Schulschließungen aus. Die Inzidenz allein ist nicht aussagekräftig! Denn ungeimpfte Personen zwischen 18 und 59 Jahren haben eine wesentlich höhere Inzidenz als unter 18-Jährige. Durch die engmaschigen Tests in den Schulen werden weit mehr asymptomatische Infektionen erkannt als in anderen Altersgruppen. Die Hospitalisierungsrate von Kindern ist im Verhältnis zu den Ansteckungen sehr gering (für Kinder mit SARS-CoV-2 als Hauptdiagnose 0,3 Prozent).

Schwerwiegender seien gesundheitliche Probleme durch Distance Learning und die soziale Isolation von Kindern: „Als Kinder- und Jugendmediziner sind wir in unserer täglichen Arbeit mit gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie konfrontiert, die sich nicht in Inzidenzzahlen abbilden lassen“, so Volker Strenger, Kinderinfektiologe der MedUni in Graz. „Die psychosozialen und psychiatrischen Probleme sind wesentlich auf die Schulschließungen und die Isolation der Kinder und Jugendlichen in den letzten drei Semestern zurückzuführen“, so die Fachgesellschaft ÖGKJ.

»In der Schule ist es spannender, weil wir gemeinsam lernen und spielen!«

Bereits Anfang Dezember wurde dann in den Medien trotz offener Schulen von rückgängigen Infektionszahlen unter den Schüler:innen berichtet.

Argumente für offene Schulen und Präsenzunterricht

  • Kinder wollen in die Schule gehen

»Wenn ich zuhause bleiben muss, stört mich das sehr. Ich will meine Freunde treffen.«

  • Impfungen für Kinder sind zugelassen und schützen vor schweren Verläufen (viele Kinder sind bereits doppelt geimpft)
  • Tests dreimal pro Woche, so können Infektionsketten schnell durchbrochen werden
  • Durchgängiges Maskentragen

»Wir können auch mit Mund-Nasen-Schutz lernen und spielen, das stört mich gar nicht!«

  • Lüften und andere Hygienemaßnahmen zum Schutz der Kinder möglich
  • Hohe Durchimpfungsraten beim Lehrpersonal
  • Soziale Kontakte und soziales Lernen können nicht im Distance Learning stattfinden
  • Struktur, Normalität
  • Drohende Vereinsamung beim Heimunterricht
  • Unvereinbarkeit des Home Schoolings/Betreuung der Kinder mit der Arbeit bei berufstätigen Eltern
  • Lernverluste durch Distance Learning (Schüler:innen können sich den Lernstoff nicht in derselben Qualität selbst aneignen bzw. Eltern können Unterricht nicht in derselben Qualität bieten)

»Die Frau Lehrerin erklärt einfach besser! Da verstehe ich, was ich tun muss!«

  • Fehlende Infrastruktur, fehlender Platz, fehlende Ruhe fürs Lernen zuhause

»Ich mag nicht zuhause bleiben, weil da sind meine kleinen Geschwister und die nerven, ich kann da nicht gut lernen.«

  • Schulanfänger:innen (1. Klasse VS) müssen erst die Schule und ihre Mitschüler:innen kennenlernen

Allgemeine Verunsicherung


Viele Eltern haben sich mit der Entscheidung schwergetan, ob sie die Kinder in die Schule gehen lassen oder nicht. Sie fühlten sich allein gelassen, waren verwirrt aufgrund widersprüchlicher Informationen (Schulen offen, aber Aufruf die Kinder nach Möglichkeit zuhause zu lassen). Andererseits hatten sie das nicht selbstverständliche Privileg einer Wahlmöglichkeit, die Möglichkeit sich frei zu entscheiden. Sie konnten je nach ihrer individuellen familiären (und beruflichen) Situation handeln und die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kinder berücksichtigen.

Entscheidungen führen in einer Pandemie nicht zu Idealzuständen. Es gibt nicht die eine richtige Entscheidung, die zu komplett absehbaren und rein positiven Folgen führt. Nichts ist perfekt, derzeit weniger als zuvor. Die meisten Entscheidungen sind mit „Kosten“ verbunden. Wir Erwachsene können nur abwägen, gradwandern und dem Perfektionismus abschwören. Wir können und müssen in uns reinhören, unsere Kinder fragen und ernst nehmen, dann entscheiden und akzeptieren, dass jede Entscheidung auch Nachteile mit sich bringen kann. Wir Erwachsenen sollten nicht unsere Kinder mit unserer Unsicherheit und den Anspruch auf Idealzustände belasten!

Würden wir die Kinder fragen…


Die Kinder, die wir in den letzten Wochen getroffen haben, wünschen sich, in die Schule gehen zu können.

»Ich gehe gerne in die Schule zum Lernen und ich will meine Freundinnen treffen. Ich mag nicht zuhause bleiben, weil da ist es langweilig.«


»Es ist so eng zu Hause, ich weiß nicht, wo ich meine Sachen gut ordnen kann und ich habe keine Ruhe zum Lernen.«


»In der Schule treffe ich meine Freunde und das ist lustig.«


Problematisch ist, dass viele Eltern allein entscheiden und die Meinung und Wünsche der Kinder unberücksichtigt bleiben. Das Kinderrecht auf Beteiligung (Artikel 12 der UN-Kinderrechtekonvention) gilt jedoch auch im familiären Umfeld: Kinder dürfen bei allen Dingen, die sie betreffen, mitreden!

Haben Sie Ihr Kind gefragt, ob es in die Schule gehen möchte? Nein? Es gab von Seiten Ihres Kindes auch keine Einwände gegen Ihre Entscheidung? Dies bedeutet nicht automatisch, dass es dieselbe getroffen hätte. Viele Kinder tragen aus Loyalität die Entscheidungen der Eltern mit, auch wenn sie darunter leiden.

»Ich darf nicht in die Schule gehen, ich darf nicht mitgehen, ich muss immer die Maske tragen, meine Eltern wollen das so.«

Viele Belastungen entstehen für Kinder aufgrund unreflektierter emotionaler Befindlichkeiten von Erwachsen, die sie auf die Kinder übertragen bzw. die negative Folgen für die Kinder haben können. Haben Sie als Elternteil Ängste und Sorgen? Das ist verständlich in diesen Zeiten. Aber holen Sie sich bitte Unterstützung von anderen Erwachsenen oder diversen Einrichtungen! Ihre Kinder dürfen und sollen wissen, wie sie sich fühlen. Aber treffen sie die Entscheidungen für Ihre Kinder nicht aus Ihren negativen Emotionen und rein Ihrer Perspektive heraus! Fragen Sie Ihr Kind und beziehen Sie die Bedürfnisse Ihres Kindes in die Entscheidung mit ein!

Die Zitate stammen von Kindern zwischen 7 und 14 Jahren. Die Namen sind der Redaktion bekannt. Der Beitrag wurde gemeinsam von Heidi Richter-Jursitzky und Sonja Buchegger verfasst.

Medienbeiträge zum Thema: